Das Fell und das Grauen

Das Fell, gefleckt, dem des Leoparden gleichend, geschmeidig, weich, seidig, wärmend und Sehnsüchte weckend. In seiner makellos schönen, glänzenden Haut von Göttern verwandt. Exhibitionistisch kokett, aber verletzlich und allzu leicht zerstörbar.
Eine Oper.
Das Fell der Ratte, kräftig, schützend, fettig, die Scheiße der Kloaken, den faulenden und stinkenden Unrat abweisend, ihm ausweichend, durch ihn hindurchgleitend, unversehrt bleibend. Bei Gefahr sich sträubend, Gift verspritzend.
Anarchiegeruch.
Die Menschenhaut, glatt, elastisch und nachgiebig, gebräunt von der Sonne. Scharfen Gegenständen ausgesetzt, von Messern bedroht, nicht mehr standhaltend, freudig erregt und der Tortur entgegenzitternd, geritzt, zerschnitten, aufgerissen klaffend, zerschunden,
blutverschmiert und schmerzend.
Einer grausamen Seele hörig.
Endlich die Haut getarnt als Fell, wie ein Schwamm aufsaugend, schmatzend, sich wälzend und suhlend, mit allem sich mischend, besudelt und glitschig, gespannt oder wulstig gefaltet.
Schleim absondernd und alles unter sich begrabend und verschlingend.
Zur Zerstörerin gewordene Geliebte der Seele.


Josef Wais
Text für Michaela Moscouw zu ihrer Arbeit
Katalog VIER WEGE neue österreichische Fotografie,
Museum moderner Kunst, Wien   1985

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